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Frauen sollten das Thema Geld ernst nehmen und zur Chefinnensache deklarieren – Interview mit Dr. Birgit Happel von Geldbiografien

Vor kurzem habe ich Dr. Birgit Happel von Geldbiografien kennengelernt. Sie hat die Zusammenhänge von Geld und Lebensgeschichte erforscht. In diesem Interview beantwortet sie Fragen zum Thema finanzielle Unabhängigkeit von Frauen. 

1. Stell dich und deine Arbeit doch bitte vor.

Meine Mission ist die finanzielle Bildung, hier bin ich seit fast zehn Jahren bei verschiedensten Zielgruppen unterwegs. Von jungen Menschen über Frauen in der Lebensmitte bis zu Multiplikator/innen in der Sozialen Arbeit und im Verbraucherschutz. Ich bin gelernte Bankkauffrau und Wertpapierberaterin, später ging ich zum Soziologiestudium an die Uni und habe zum Umgang mit Geld promoviert.

2. Durch deine Forschungsarbeit und Tätigkeit als Coach hast du viele Erkenntnisse über die finanzielle Situation von Frauen gewonnen. Wie unterscheidet sie sich von der Situation der Männer und durch welche Umstände geraten Frauen in die finanzielle Abhängigkeit?

Hier spielt natürlich das Thema Care die ausschlaggebende Rolle, also Fürsorgearbeit für Kindererziehung und Pflege. Aber auch bei der Hausarbeit übernehmen Frauen oft mehr unbezahlte Arbeit als ihre Partner. Und sobald das erste Kind kommt, haben wir leider noch häufig das Zuverdienermodell, also die Frau verdient dazu und der Mann sichert den Lebensunterhalt. Dadurch verlieren sie als junge Mütter ihre finanzielle Unabhängigkeit. Das ist jedoch nicht in Stein gemeißelt und verändert sich gerade rasant, es gibt ja auch Frauen, die mehr verdienen oder sogar die Familienernähererinnen sind. Allerdings sind die strukturellen Rahmenbedingungen durch Ehegattensplittung, beitragsfreie Familienversicherung bei der Krankenversicherung und eben berufliche Hürden für Mütter noch hinderlich und lassen Frauen leicht in die finanzielle Abhängigkeit von ihren Partnern geraten.

3. Was bedeutet finanzielle Unabhängigkeit?

Finanziell unabhängig bin ich, wenn ich meine Existenz aus eigener Kraft sichern kann. Weiter gefasst, bin ich nicht abhängig von einem Arbeitgeber, sondern habe entweder bereits ein Vermögen angehäuft oder kann mich mit meinem Humankapital am Markt selbst positionieren. Am besten ist es natürlich, wenn alles gleichzeitig zutrifft. Wenn ich finanziell unabhängig bin, erweitere ich automatisch meine Optionen und Handlungsspielräume. Das ist auch eine mentale Angelegenheit und betrifft das Selbstwertgefühl, beispielsweise bin ich bei häuslicher Gewalt in einer anderen Ausgangsposition und kann gehen, wenn die Situation es erfordert. Oder ich bin gegenüber meinen Eltern in einer anderen Lage, wenn ich nicht mehr ständig auf Finanzspritzen angewiesen bin. Das gibt es übrigens öfter, als man denkt, dass erwachsene Kinder ihre Eltern um Geld anhauen oder sich großzügig Mittel zukommen lassen.

4. Was sollten Frauen tun, um unabhängig zu bleiben?

Sie sollten ihr Geld zur Chefinnensache erklären, nie ihre Finanzen aus der Hand geben und bei möglichen Bürgschaften sorgfältig abwägen. Als Mutter sollen sie ihre Berufsbiografie im Blick behalten. Der Rückzug ins Häusliche birgt die Gefahr, den beruflichen Anschluss zu verpassen. Es gibt einfach zu viele Frauen, die denken, meine Partnerschaft geht schon nicht in die Brüche. Und sie müssen sich die strukturellen Rahmenbedingungen vor Augen führen und nicht dem Trugschluss verfallen, feministische Themen gehen uns heute nichts mehr an. Das ist ja auch dein Anliegen mit Her Independent Life.

5. Wie hast du es als Mutter selbst geschafft unabhängig zu sein? Es wäre auch toll, wenn du noch ein paar Wege von Frauen beschreibst, denen du zur Unabhängigkeit verholfen hast.

Ich hatte das Glück, schon mit Anfang zwanzig an der Frankfurter Wertpapierbörse und in der Wertpapierberatung zu landen und konnte mir einen Finanzpuffer aufbauen. Bei mir geht Finanz- und Lebenscoaching Hand in Hand: ich habe Frauen dabei unterstützt, ihre beruflichen Wege nach der Elternzeit oder auch nach längeren beruflichen Pausen weiterzuverfolgen und ihre Einkommen dann auch entsprechend am Kapitalmarkt zu investieren.

6. Weshalb ist es unerlässlich, dass sich Frauen mit finanziellen Strategien auseinandersetzen?

Frauen sind heute so gut ausgebildet und landen dann oftmals doch in einer Teilzeitfalle. Die unterbrochenen Erwerbsbiografien haben fatale Auswirkungen auf ihr Einkommen, ihr Vermögen, später dann ihre Rentenansprüche.

7. Es scheint als seinen Frauen und Männer noch immer nicht gleichberechtigt? Welcher Handlungsbedarf ergibt sich dadurch für Frauen?

Die Frauen müssen frühzeitig erkennen, dass sich die Machtverhältnisse in der Gesellschaft noch nicht grundlegend geändert haben. Ich bin bei UN Women und beim Aschaffenburger Frauenhearing aktiv und das Durchschnittsalter bei unseren Veranstaltungen könnte durchaus einen Schub nach unten vertragen. Es gibt mehrere Stellschrauben für Veränderungen, eine davon ist politisches Engagement. Und sie müssen das Geld ernst nehmen und ihm einen größeren Stellenwert als bisher beimessen.

Birgit Happel über Frauen und Geld
Foto: Jürgen Lecher. Museum für Kommunikation Frankfurt

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